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Neustadt bei Marburg

Geschichte:

Zwar wurde unweit von Neustadt (1,3 km westlich, Flur Wolfsdorf) karolingerzeitliche Keramik gefunden, doch hatte die um 1270 von den Grafen von Ziegenhain an der Wiera in Niederungslage gegründete Stadt nebst Burg keine Vorgängersiedlung, was auch der Ortsname nahelegt. 1272 wurde die Stadt urkundlich erwähnt; 1294 ist von Burg und Stadt die Rede. 1553 wird Neustadt als Flecken bezeichnet.
1294 verkaufte Graf Engelbert I. von Ziegenhain das Amt Neustadt mit Burg und Stadt für 2.200 Mark kölnischer Pfennige an das Erzstift Mainz.
1341 ist die Burg als Schloss erwähnt. Burg und Stadt Neustadt lagen an der bedeutenden mittelalterlichen Fernstraße durch die Langen Hessen.
Im Jahre 1294 verkauften die Grafen von Ziegenhain die Burg nebst Neustadt dem Erzstift Mainz. Die Burgmannen, denen Neustadt bis dahin als Mannlehen verliehen war, wurden damit mainzische Lehnsleute.
Im Zeitraum 1347-67 besetzten die Landgrafen von Hessen Neustadt mit kurzen Unterbrechungen. 1374 bestätigte der Mainzer Erzbischof der Stadt ihre Privilegien und Freiheiten; 1378 schworen die Bürger Neustadts jenem Gehorsam und gewährten ihm das Öffnungsrecht an der Burg. Weitere Bestätigungen der Privilegien erfolgten 1391, 1420, 1440 (Mainz), 1477 (von Dörnberg) und 1575 (Mainz). Zwischenzeitlich waren Stadt und Amt Neustadt mehrfach verpfändet (1374-78 an die von Falkenberg, 1378 an die mainzischen Burgmannen in Neustadt; 1477-1549/50 Pfandlehen der von Dörnberg).
1477 verpfändete der Landgraf von Oberhessen, in dessen Besitz Neustadt inzwischen war, an seinen Hofmeister Hans von Dörnberg, der die Burg nach Abbruch älterer Bauten aufwendig ausbauen ließ. Nach der Vereinigung der beiden hessischen Landesteile Ober- und Niederhessen setzte sich von Dörnberg 1505 nach Friedberg ab, doch blieben die Dörnberger bis 1549, als Mainz die Verpfändung Neustadts an die Landgrafen auslöste, in Neustadt ansässig.
Der Ausbau der Burg Neustadt unter von Dörnberg fiel in jene Zeit ab/nach 1479, in der der hessische Landgraf Heinrich III. viele seiner Burgen ausbauen und verstärken ließ; auch Burgen des ihm dienenden Adels erfuhren Ausbauten (u.a. Friedberg, Friedewald, Hauneck, Herzberg, Marburg, Ockstadt, Schweinsberg, Vacha, Wolkersdorf, Ziegenhain), an mehreren war nachweislich der Hofbaumeister Hans Jakob von Ettlingen maßgeblich beteiligt.
1566 brannte ein großer Teil der Stadt im Kontext einer Belagerung ab. Auch während des 30-jährigen Krieges (1618-48) - 1632-38 war Neustadt hessisch besetzt - und im 7-jährigen Krieg (1756-63) erlitt die Stadt Zerstörungen, die teils auch die Burg bzw. das Schloss betrafen. Bis 1802 war das Schloss Sitz mainzischer Amtmänner. Von 1802 bis 1943 diente es als Amtsgericht. Es folgten Nutzungen als Wohnheim für Kriegsflüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg und als Rathaus ab 1952.
(Michael Losse)

Bauentwicklung:

Die Stadt wurde um die Mitte des 13. Jh. als Planstadt angelegt. Unklar ist, ob die erste Burg an dieser Stelle bereits vor dem Bau der Stadtmauer bestand. Auch ihre bauliche Entwicklung vor dem einschneidenden Um- und Ausbauten gegen Ende des 15. Jh. unter dem hessischen Hofbaumeister Hans Jakob von Ettlingen (*um 1440, +1507) ist weitestgehend unbekannt. Bausubstanz der Burg der Grafen von Ziegenhain ist z.B. im Hauptgebäude, dem sog. Dörnbergschen Schloss (um 1489, heute Rathaus, Ritterstr. 5-9), erhalten. Im Zuge des Umbaus Ende des 15. Jh. wurde 1481/83 der Junker Hansen-Turm erbaut (dendrochronologisch datiert), der in die Südecke der Stadtbefestigung einband. In seinem Erdgeschoss wurden offenbar Steine abgebrochener älterer Burggebäude zweitverwendet.
Während der Zeit der Nutzung der Burg als mainzischer Amtssitz kam es zu Veränderungen an mehreren Gebäuden, insbesondere am "Schloss", das 1952 zum Rathaus umgebaut wurde. In den Jahren 1987/88 erfuhr das Schloss eine umfassende Renovierung. Der Junker-Hansen-Turm wurde im 20. Jh. zum Museum ausgebaut.
Starke Zerstörungen erfuhr die an die Burg anbindende Stadtbefestigung im 30-jährigen Krieg. Die beiden Stadttortürme wurden 1788 (Alsfelder Tor im Südosten) und zu Beginn des 19. Jh. (Momberger Tor im Nordwesten) abgebrochen.
(Michael Losse)

Baubeschreibung:

Die mit der Burg verbundene Stadt – erstere steht am Südrand der mittelalterlichen Stadt – zeigt einen etwa ovalen Grundriss. Ihre von Südost nach Nordwest verlaufende Hauptstraße (heute B 454) erschlossen zwei Stadttore. Diese Hauptachse sowie das regelhafte Straße lassen die Anlage als Planstadt des 13. Jh. erkennen, ebenso der Marktplatz in der Stadtmitte an der Kreuzung der Hauptstraße mit einer weiteren Straße.
Die Burg steht integriert in den hier eine Ecke ausbildenden südlichen Abschnitt des Stadtmauerberings, dessen Wassergraben mehrere Bachläufe speisten; dem Bering wurde im Spätmittelalter eine Zwingermauer vorgesetzt. Im Grundriss fünfeckig – in Form eine Rechtecks mit abgeschnittener Nordecke – enthält zwar noch Baubestand der Burg der Grafen von Ziegenhain, doch entstammen die erhaltenen Bauten dem Umbau vom Ende des 15. Jh. unter dem Baumeister Hans Jakob von Ettlingen, teils verändert in der Frühen Neuzeit, als die Burg mainzischer Amtssitz war.
Der Junker Hansen-Turm der Burg, der die Südecke der Stadtmauer sicherte, in die er einband, gilt als der größte Fachwerkrundbau Europas. 1481-83 erbaut (d), setzt sich der über 50 m hohe Rundturm (Ø ca. 13 m) aus zwei in Rotsandstein aufgemauerten Geschossen und zwei Fachwerkgeschossen zusammen. Im Erdgeschoss scheinen Steine abgebrochener ältere Burggebäude zweitverwendet worden zu sein, im 1. OG finden sich sorgfältigere Quader. Beide (durch eine Treppe in der Mauer verbundenen) Geschosse besitzen Maulscharten mit Entlastungsbögen. Unter der Dachtraufe sitzen in allen Gefachen kleine geschweifte Andreaskreuze, die obere Gefachreihe endet in Dreipassbögen. Der Rand des steilen Kegeldaches ist mit runden Eckwarten besetzt, die ebenfalls steile Kegeldächer tragen. Der Junker Hansen-Turm war als Flankierungs- bzw. Geschützturm (EG, 1. OG) und Wohnturm (2. und 3. OG) ein multifunktionaler Bau.
Einen Fachwerkaufbau hatte auch mindestens einer der Rundtürme der 1477/90 für die von Dörnberg unter Hans Jakob von Ettlingen ausgebauten Burg Herzberg in Nordhessen.
Über älterem Unterbau entstand um 1489 das sog. Dörnbergsche Schloss (Ritterstr. 5), das 1549-1802 mainzisches Amtshaus war und heute als Rathaus dient. Unter Verwendung umfänglicher Teile der älteren Burg wurde das Schloss nach Planung Hans Jakobs von Ettlingen als Zweiflügelanlage errichtet. Das Hauptgebäude ist ein annähernd rechteckiger Bau mit abgeschrägter Ecke, steinernem Keller- und Erdgeschoss und Fachwerkobergeschoss und Polygonalerker über steinerner Säule an der Ostecke. Es trägt ein Satteldach mit Krüppelwalm. Das durch den Umbau Ende des 15. Jh. im Erscheinungsbild spätgotische Gebäude wurde in der Frühen Neuzeit mehrfach umgebaut und verändert, zuletzt 1952 zum Rathaus. Quer zu diesem Trakt steht in der Flucht der ehemaligen Ringmauer im Winkel die einstige Remise (Ritterstr. 9, heute Stadtbauamt) mit Erdgeschoss aus Bruchstein und Fachwerkobergeschoss.
(Michael Losse)

Arch-Untersuchung/Funde:

Unbekannt