EBIDAT - Die Burgendatenbank

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Marburg

Geschichte:

Als Initiatoren der Burggründung, deren Anfänge bis in das 11. Jh. zurückreichen, kommen entweder die Grafen Werner oder die Gisonen in Betracht. Letztere wurden zwischen 1122 und 1137 von den thüringischen Landgrafen aus dem Hause der Ludowinger beerbt. Welche Grafen im 11. Jh. Herren über Marburg bzw. das spätere Oberhessen waren, lässt sich aus der schriftlichen Überlieferung nicht erschließen. Ihre Entstehung verdanken Stadt und Schloss Marburg ihrer Lage an wichtigen Fernverkehrsstraßen und dem Übergang einer wichtigen West-Ost-Verbindung über die Lahn. Einen indirekten Hinweis auf die Existenz der Marburg bietet eine 1138/39 datierte Urkunde, die Marburg neben Bilstein (Rhein-Lahn-Kreis) und Rosbach (Rhein-Sieg-Kreis) als Sitz bedeutender ludowingischer Ministerialen nennt. Ob die Orte Oberweimar, Cappel und Marburg zu dem von den Landgrafen von Thüringen zwischen 1122 und 1137 angetretenen Gisonenerbe gehörten oder erst 1138/39 von den Ludowingern erworben wurden, ist bislang unklar. Die sich bereits um 1140 unterhalb der Burg entwickelnde Marktsiedlung wurde zu Beginn des 13. Jh. zur Stadt erhoben und erscheint in den Schriftquellen 1222 als "civitas" mit zwei Kirchen. Der prächtige Ausbau des Marburger Schlosses in der zweiten Hälfte des 13. Jh. deutet bereits auf die herausragende Position der Anlage unter den landgräflichen Burgen hin. Von etwa 1250 bis zur Verlegung des Herrschaftsmittelpunktes nach Kassel im Jahr 1308 fungierten Burg und Stadt Marburg als landgräfliche Residenz. Von 1458 bis 1500 und 1567 bis 1604 war Marburg Residenz einer Nebenlinie des landgräflichen Hauses. Bedeutung erlangte Marburg in der frühen Neuzeit u.a. durch die Gründung der Universität durch Landgraf Philipp den Großmütigen (1504-1567) und das Marburger Religionsgespräch von 1529. Im Dreißigjährigen Krieg eroberten die Truppen des kaiserlichen Generals Tilly und Ludwigs V. von Hessen-Darmstadt Marburg. 1648 erfolgte die Rückgabe Marburgs und eines Teils von Oberhessen an Hessen-Kassel. Im Verlauf des Siebenjährigen Krieges 1756-63 wurden Stadt und Schloss, die zur Festung ausgebaut worden waren, mehrfach erobert. 1866 gelangte Marburg schließlich an Preußen. Das Schloss diente 1815 bis 1869 als Strafanstalt und wurde 1870 einer neuen Nutzung als Staats- und Provinzialarchiv zugeführt. Seit 1938 befindet sich das Marburger Schloss im Besitz der Universität. Im Wilhelmsbau wurde 1981 nach umfangreichen Wiederherstellungsarbeiten das Hessische Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte eröffnet. Bereits 1868 unterbreitete Ludwig Bickell den Vorschlag, in den Räumen des Schlosses eine Sammlung hessischer Altertümer anzulegen. Der Verein für hessische Geschichte und Altertumskunde fasste 1875 den Beschluss, die ihm übertragene Sammlung im Landgrafenschloss unterzubringen. Diese Sammlung verblieb bis zur Errichtung des Universitätsmuseums und des Kunsthistorischen Museums im Landgrafenschloss. Dem heutigen Besucher präsentieren sich die seit den ausgehenden 1970er Jahren erneut museal genutzten Räume des Schlosses in Form eines 1998 konzipierten Rundgangs. (J.F.)

Bauentwicklung:

Die wegweisende, bereits 1942 von Karl Justi vorgelegte Untersuchung zur baulichen Entwicklung des Marburger Schlosses, konnte in wesentlichen Details - insbesondere im Blick auf die Frühzeit der Anlage - durch Bau- und Bodenuntersuchungen seit Mitte der 1970er Jahre korrigiert werden. Insbesondere die intensiven baulichen Aktivitäten ab der Mitte des 13. Jh. - das Erscheinungsbild der Anlage wird im Wesentlichen durch den gotischen Um- und Ausbau geprägt - erschweren die Rekonstruktion der ersten, wohl im 11. Jh. entstandenen Burg. Den Kern der Burg bildet ein 1989/90 archäologisch nachgewiesener rechteckiger Bau unter dem heutigen Westflügel und im Bereich des Innenhofes. Ob es sich bei diesem, der ersten Bauphase zuzuweisenden Gebäude um einen Saalbau oder einen Wohnbau handelt, lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Eine den Bau schützende Befestigung konnte aufgrund der späteren Umbauten des Westflügels nicht nachgewiesen werden. In einer zweiten Bauphase, die um 1140 angesetzt wird, ließen die Landgrafen von Thüringen den Rechteckbau zu einem quadratischen Turm umgestalten und fügten eine im Westen und Süden nachweisbare Ringmauer hinzu. An der Nordseite der Kernburg verlief die Mauer mitten durch den späteren Saalbau. Im Bereich des Küchenbaus (Leutehaus) an der Nordostseite des Burghofes entstand ein dendrochronologisch "nicht vor 1220" zu datierender schlanker Turm, der in der neueren Literatur gelegentlich als der 1372 in den Schriftquellen erscheinende "neue Bergfried" identifiziert wird. Der Turm, der der dritten Bauphase der Kernburg zugeordnet wird, steht auf älteren Mauerzügen und diente sowohl der Sicherung des Zugangs zur Kernburg im Osten als auch als Verbindungsglied zur Stadtbefestigung. Die vierte, im Wesentlichen das heutige Erscheinungsbild des Landgrafenschlosses bestimmende Bauphase setzte etwa um 1250 ein und fand etwa um 1300 einen Abschluss. Die baulichen Aktivitäten konzentrierten sich zuerst auf den Ausbau der westlich der Kernburg gelegenen Vorburg und die Errichtung des Südflügels, dessen östlicher Abschluss die Schlosskapelle bildet. Für den bedeutenden Sakralbau, der an der Übergangsphase von der Früh- zur Spätgotik steht, ist das Weihedatum 1288 überliefert. Einen weiteren Hinweis auf die baulichen Aktiväten in der zweiten Hälfte des 13. Jh. bietet die dendrochronologische Datierung eines Balkens aus dem an der Nordseite der Kernburg gelegenen Saalbau in das Jahr 1296/98. Für das 14. und 15. Jh. lassen sich mehrere Umbauten (u.a. 1481 im Südflügel) nachweisen. Um das Landgrafenschloss den Erfordernissen der Kriegsführung und des massiven Einsatzes von Artillerie anzupassen, entstand nach Entwürfen des landgräflich hessischen Hofbaumeisters Hans Jakob von Ettlingen 1478 in der Nähe des Halsgrabens ein Geschützturm, der Weiße- oder Hexenturm, der ursprünglich die gleiche Dachform aufwies wie der noch erhaltene Junker-Hansen-Turm in Neustadt (Kreis Marburg-Biedenkopf). Östlich des Hauptschlosses wurde nach Plänen des Hans Jakob von Ettlingen in den Jahren 1493-1497 der Wilhelmsbau aufgeführt, den man 1625/26 durch einen überdeckten Laufgang (Neubau von 1870 nach Abbruch der Galerie 1820) mit der Kernburg verband. An der Südseite unterhalb der Schlosskapelle schuf der Baumeister Eberdt Baldewin 1572 einen reizvollen Renaissance-Anbau mit offener Arkadenhalle und Volutengiebeln. An der Hoffront des Westflügels gestaltete Baldewin einen Treppenturm um. Im Bereich der Vorburg setzte man einem älteren Bau 1575 zwei Fachwerkgeschosse auf, die 1628-1630 durch steinerne Obergeschosse ersetzt wurden. Das sich rechtwinklig an den Marstall anschließende Zeughaus von 1568/69 wird ebenfalls dem Baumeister Baldewin zugeschrieben. Von der einst imposanten, vom 16 bis zum 18. Jh. entstandenen äußeren Schlossbefestigung mit Bastionen und Kasematten blieben nach der Schleifung der Anlagen zu Beginn des 19. Jh. nur wenige Reste im Bereich des Schlossparks erhalten. (J.F.)

Baubeschreibung:

Der Kernbereich des am Ende eines steilen Bergsporns über dem Lahntal gelegenen Schlosses besteht aus einer hufeisenförmigen, dreiflügeligen Gebäudegruppe um einen schmalen, trapezförmigen Binnenhof mit Zugang im Osten. Westlich unterhalb der Kernburg befindet sich die Vorburg. Vom ältesten Baubestand des Schlosses aus dem 11. Jh. blieben unter der im Kern gotischen Gesamtanlage Reste eines quer zur Längsachse der Burg stehenden Gebäudes (16 x 9,5 m, Mauerstärke 1,75 m) unter dem heutigen Westflügel erhalten. Ob es sich um einen Saalbau oder einen Wohnbau gehandelt hat, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. In einer jüngeren Bauphase entstand um 1140 im Auftrag der Landgrafen von Thüringen unter Verwendung von Teilen des Vorgängerbaus ein an der westlichen Angriffsseite der Burg gelegener viereckiger Turm, der von einer teilweise nachweisbaren Wehrmauer umgeben war. Die Gebäude des Süd-, Nord- und Westflügels gehören im Wesentlichen einer Mitte des 13. Jh. einsetzenden Bauphase an, die vermutlich zu Beginn des 14. Jh. abgeschlossen war. Der dreigeschossige Südflügel, dessen stadtseitige Front durch ein großes dreiteiliges Maßwerkfenster von 1481 akzentuiert wird, umfasst im mittleren Teil den landgräflichen Wohnbau, die so genannte "Alte Residenz"- Ursprünglich in Fachwerkkonstruktion errichtet, wurden die Erkeraufbauten im 18. Jh. in Stein neu aufgeführt. Im zweiten und dritten Geschoss enthält der Baukörper je zwei Säle. Den östlichen Abschluss des Südflügels bildet die 1288 der Hl. Katharina geweihte Schlosskapelle, die stilistisch den Übergang von der Früh- zur Spätgotik markiert. Die Ausmalung wurde 1970/71 wiederhergestellt. Beachtung verdienen ein Fußbodenmosaik aus farbig glasierten Tonplättchen (um 1300) sowie die Reste von Wandmalereien (in der Westnische Christopherus, um 1300). An der Südostseite unterhalb der Kapelle befindet sich ein 1572 von Eberdt Baldewin geschaffener Renaissancebau mit offener Arkadenhalle und Volutengiebeln. Die Nordseite des Burghofs nimmt der Saalbau ein, der über einem hohen Keller zwei Hauptgeschosse aufweist. An der West- und an der Nordseite befinden sich starke Wandpfeiler, die an den Ecken als freistehende Türmchen (Tourellen) mit Wendeltreppen gestaltet sind. Die Mitte der Nordseite nimmt ein risalitartiger Vorbau mit Staffelgiebel ein. Vor der Hoffront ermöglichte ursprünglich ein Vorbau mit Freitreppe den Zugang zum Saal. Der das gesamte Obergeschoss einnehmende zweischiffige Fürstensaal (33 m lang und 14 m breit, 7,80 m hoch) zählt zu den größten profanen Innenräumen der deutschen Gotik. Als ursprünglich quer angelegter Saal konzipiert mit dem Eingang an der dem Hof zugewandten Längsseite und dem gegenüber liegenden Thronsitz des Landgrafen in dem gegenüberliegenden Risalitvorbau steht der Raum in der Tradition der Saalbauten von Kaiserpfalzen. Östlich schließt sich an den Saalbau der ehemalige Küchenbau (Leutehaus) mit je einem Saal im ersten und zweiten Obergeschoss an. Der Westflügel des Hauptschlosses, der auch als Frauenbau bezeichnet wird, beherbergt in seinen Obergeschossen zwei große flachgedeckte Säle. An der Hoffront befindet sich der im 16. Jh. neu gestaltete Treppenturm. Östlich des Hauptschlosses befindet sich der 1493-1497 von dem hessischen Hofbaumeister Hans Jakob von Ettlingen errichtete Wilhelmsbau, der 1625/26 durch eine Galerie (in ihrer jetzigen Form ein Neubau von 1870) mit den Gebäuden der Kernburg verbunden wurde. Im Bereich der Vorburg, westlich des Schlosses blieben der Marstall (16. u. 17. Jh. auf älterem Untergeschoss errichtet) und das 1568/69 von dem Baumeister Eberdt Baldewin errichtete Zeughaus erhalten. In unmittelbarer Nähe zum Halsgraben erhebt sich der 1478 von Hans Jakob von Ettlingen aufgeführte Weiße Turm (Hexenturm). Der Geschützturm diente von 1550 bis 1864 als Gefängnis. Nur wenige Reste künden von der einst bedeutenden, vornehmlich im 16. und 17. Jh. entstandenen Außenbefestigung des Schlosses, die zu Beginn des 19. Jh. geschleift wurde. (J.F.)

Arch-Untersuchung/Funde:

Seit den 1970er Jahren; Wesentliche Erkenntnisse zur Frühgeschichte des Landgrafenschlosses erbrachten die 1989/90 durchgeführten Grabungen im Bereich der Kernburg.