EBIDAT - Die Burgendatenbank

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Wildenstein im Odenwald

Geschichte:

Burg Wildenstein wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts von den im Ostspessart ansässigen Grafen von Rieneck gegründet. Der von den Grafen betriebene Landesausbau mit Rodungen führte zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit dem Erzstift Mainz, in deren Zusammenhang die Burg 1260 erobert ("occupatio") und offenbar auch zerstört wurde. Die Vorgänge sind durch den Friedensvertrag vom 21. Juli 1260 überliefert. Reste einer Gegen- oder Belagerungsburg und zahlreiche Funde von Blidenkugeln sprechen für eine förmliche Belagerung von Wildenstein. In den Folgejahren kam es erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, weshalb die Rienecker 1266 Wildenstein an das Erzstift verpfänden mussten. Um den vollständigen Verlust der Burg zu verhindern, trugen die Grafen von Rieneck Wildenstein den Pfalzgrafen als härtesten politischen Gegnern des Erzstiftes Mainz zu Lehen auf. Der Zerstörung von 1260 und/oder 1266 folgte nach archäologischem Zeugnis eine Phase der wenig intensiven Nutzung der Burg bzw. Ruine, der erst Ende des 14. Jahrhunderts die Reaktivierung bzw. der Wiederaufbau der Burg folgte. Die Auseinandersetzungen mit dem Erzstift Mainz sollten sich nicht wiederholen, vermutlich waren die Territorien bereits zu sehr verfestigt, als dass sie durch den Wiederaufbau von Wildenstein gefährdet werden konnten. Die Burg war stets Sitz eines Amtmanns der Grafen von Rieneck, ereignisgeschichtliche Details sind nicht überliefert.
Infolge des Aussterbens der Grafen von Rieneck im Jahre 1559 fiel Wildenstein mit Zubehör an die Grafen von Erbach, die in ihr weiterhin einen Amtmann residieren ließen. Die Burg wurde nach heutigem Forschungsstand bis in die Zeit um 1700 bewohnt, wobei die Nutzung der Gebäude nicht mehr intensiv gewesen sein kann. Die konkreten Umstände der Aufgabe der Burg sind bisher nicht bekannt. Die Burgruine ist bis heute Eigentum des Grafen von Erbach-Erbach. 2002 konstituierte sich ein Verein mit dem Ziel der Erhaltung und Pflege der Burgruine, der alsbald die Sicherung des besonders gefährdeten Turmes erreichte und 2011 und 2012 im Rahmen des archäologischen Spessartprojektes Grabungen durchführen konnte. Die Fortsetzung dieser Arbeiten lässt weitere Erkenntnisse zu Geschichte und Baugeschichte der Burg erwarten. (Thomas Steinmetz)

Bauentwicklung:

Die architektonische Entwicklung der Burg ist gegenwärtig noch nicht vollständig geklärt. Klar dürfte sein, dass die zum Rechteck tendierenden Umrisse der Kernburg in die Anfangszeit zurückgehen, die Ringmauer allerdings nach der Zerstörung von 1260 repariert wurde. Zahlreiche zweitverwendete Buckelquader relativ früher Machart könnten nach Ansicht der Ausgräber von 2011/2012 von einem zerstörten Bergfried stammen, dessen Reste jedoch bisher nicht gefunden wurden. Unklar ist zudem auch die baugeschichtliche Einordnung der heute nicht mehr erkennbaren Vorburg, die südwestlich der Kernburg lag.
In die Reaktivierungsphase gegen Ende des 14. Jahrhunderts gehört der (neue) Turm oder Bergfried, der auf die nördliche Ringmauer aufgesetzt wurde. Eine vom Turm nach Süden laufende Mauer teilte den Burghof in zwei etwa gleich große Hälften. Der in der Südwestecke der Ringmauer liegende Wohnbau oder Palas geht angesichts eines spätromanischen Kamins zwar in die Gründungszeit der Burg zurück, wurde aber in Anbetracht verbauter zweitverwendeter Buckelquader in der Reaktivierungsphase verändert oder repariert. Die stark zerstörte Zwingermauer und die Toranlage im Südwesten sind nicht genau datierbar, werden aber nicht vor die Reaktivierungsphase zurückgehen.
Unmittelbar nach dem Tode des letzten Grafen von Rieneck wurde von den Erben ein Inventar erstellt, das folgende Baulichkeiten der Burg erwähnt: Hauptgebäude mit Stuben und Kammern, Kapelle, Marstall, Weinkeller und "Altes Haus" mit Fruchtschütten. Hiervon kann momentan lediglich das Hauptgebäude lokalisiert werden, die übrigen Gebäude sind verschwunden. (Thomas Steinmetz)

Baubeschreibung:

Die Burgruine beeindruckt im gegenwärtigen Zustand durch ihre Weiträumigkeit. Die weitgehend und in beachtlicher Höhe erhaltene Ringmauer tendiert zum Rechteck, die beiden Schmalseiten sind aber polygonal abgerundet. Das Mauerwerk der Ringmauer enthält zahlreiche Buckelquader mit Zangenlöchern, die tendenziell regellos vermauert sind und vermutlich zweitverwendet wurden. Beide Schmalseiten der Kernburg mussten durch tiefe Halsgräben gesichert werden, die Längsseiten sind dagegen durch steile Hänge gesichert. Auf die nördliche Ringmauer wurde erkennbar sekundär der bergfriedähnliche Turm aufgesetzt, der in die Reaktivierungsphase des ausgehenden 14. Jahrhunderts datiert wird. Von der sonstigen Innenbebauung existiert heute nur noch die Ruine des "Palas" bzw. Wohnbaues. Gut erhalten ist die nicht exakt datierte, jedenfalls aber spätmittelalterliche Toranlage, während der die gesamte Kernburg umgebende Zwinger stark zerstört ist. (Thomas Steinmetz)

Arch-Untersuchung/Funde:

Die Freilegungsarbeiten 2011 und 2012 erbrachten eine Vielzahl von Funden, die momentan (2014) noch nicht bearbeitet sind. Im Zuge der Sicherung der Burgruine sind weitere Funde zu erwarten.